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01.Juli 2013

107 Reisgerichte und noch mehr positive Erfahrungen

Auf die Idee nach Shanti Bhavan zu gehen kam ich während eines besonders langen Abends in der Bücherei meiner Universität. Mein Vater hatte mir zuvor von der Schule erzählt und so habe ich mich informiert und schließlich auch durchgerungen, mich als Hilfslehrer zu bewerben.

Der Bewerbungsprozess verlief relativ reibungslos und ich telefonierte mehrmals über Skype mit Beauftragten der Schule. Langsam wurde mir der Ernst der Lage bewusst und ich realisierte was für eine Verantwortung ich tragen würde an dieser Schule. Schließlich wäre ich für den Unterricht einer Klasse zuständig, für über einen Monat, ohne Lehrausbildung, auf englisch, in Indien. Mir wurde ein bisschen bange und ich habe über meine Sorgen auch mit Summer (meiner Gesprächspartnerin der Schule) gesprochen, die sich viel Zeit genommen hatte um alle meine Fragen genau zu beantworten.

Etwa 4 Wochen vor Beginn meines Abenteuers wurde mir eine Tabelle zugeschickt, in der ich auswählen konnte welche Fächer ich unterrichten will und für welche Klassenstufe. Als ich schließlich an der Schule war konnte die Schule natürlich nicht völlig Rücksicht darauf nehmen was ich nun unterrichten wollte, meine Hoffnungen wurden aber mehr als erfüllt.

So wurde ich Englischlehrer der 9ten und 10ten Klasse, sowie Geschichtslehrer der 7ten Klasse - indische Geschichte versteht sich.

In Shanti Bhavan waren etwa 15 andere Studenten in etwa meinem Alter, die mir stets geholfen haben, wenn ich eine Frage hatte. Zu einigen dieser Studenten habe ich immer noch Kontakt, was verdeutlichen soll wie schnell und intensiv ich sie kennen gelernt habe. Am ersten Tag durfte ich mich noch ein bisschen schonen und schaute dem Unterricht von Zach, meinem Vorgänger, zu. Ein bisschen mulmig wurde mir schon bei dem Gefühl, dass ich diese Klasse übernehmen sollte, zumal ich zuvor noch nie “The Merchant of Venice” von Shakespeare gelesen hatte und dies nun irgendwie meinen Kindern beibringen sollte. Außerdem war da noch das Problem mit der indischen Geschichte, da meine indischen Geschichtskenntnisse gegen null strebten.

Nachdem ich mit Mohit, dem Betreuer der Freiwilligen, gesprochen habe und dieser meine Unterrichtspläne abgesegnet hatte stand ich dann etwas nervös in meiner Klasse und merkte wie ich immer weniger meine vorbereiteten Notizen beachtete und immer mehr mit den Kindern in Gespräche kam. Anschließend dachte ich dann darüber nach, wie ich den Unterricht spannender machen sollte, wie ich meinen Kindern Shakespeare näher bringen sollte. Ich merkte dabei gar nicht wie schnell ich mich daran gewöhnte dort zu leben und wie schnell ich in die Rolle eines Lehrers wuchs, obwohl ich so etwas zuvor noch nie gemacht hatte.

Zwar waren die Betten hart, es gab nicht immer warmes Wasser und die Elektrizität wurde auch manchmal abgestellt, jedoch konnte ich darüber leicht hinweg schauen, da ich sehr positiv davon überrascht war, dass mich jeder Schüler nach einem Tag schon kannte und mich immer mit meinem Namen begrüßte, ich nie disziplinäre Probleme mit Schülern in meiner Klasse hatte und meine Schüler generell einen Enthusiasmus und eine Kreativität in den Unterricht brachten, von der ich während meiner Schulzeit nur träumen konnte.

Um noch mehr von Indien zu erleben und eine kleine Pause von meinem Arbeitsalltag zu haben machte ich mich mit den anderen Hilfslehrern an Wochenenden auf den Weg um schöne indische Städte anzuschauen.

Neben des Unterrichts lernte ich meine Schüler während der nachmittäglichen Aktivitäten besser kennen. Ich bot ein Basketball Training an und nach und nach kamen immer mehr Schüler um mit mir Basketball zu spielen. Eines Tages schlug ich dann relativ spontan vor ein Basketballturnier zwischen den Schülern und den Freiwilligen zu halten, wobei mindestens die Hälfte der Schule zuschaute und beide Seiten anfeuerten. Es freute mich zu sehen wie leicht es war meine eigenen Gedanken in die Schule einzubringen und so organisierte ich ein Debating Turnier und half bei der Entwicklung eines Programms zur Förderung des Leseverhaltens. Alle meine Ideen wurden sehr positiv aufgenommen und es war überhaupt nicht schwer meine Kinder für etwas Neues zu begeistern.

Bei all dieser Freundlichkeit und diesem routinierten Tagesablauf vergaß ich oft die Herkunft der Kinder.

Da ich manche Kinder besser kennen gelernt habe, hatten diese ein bisschen Zeit um persönliche Geschichten von zu Hause zu erzählen. Außerdem hatte ich die Möglichkeit mit anderen Freiwilligen die armen Dörfer in der Umgebung um Shanti Bhavan zu besichtigen und so die realen Lebensverhältnisse in indischen Dörfern sah. Die Geschichten, die ich hörte und die Dörfer, die ich sah, versetzten mich in Staunen, so dass ich einen großen Respekt vor der Charakterstärke meiner Schüler bekam und mir nur wünschen könnte, von ihnen auch gelernt zu haben.

Vielleicht habe ich das, vielleicht auch nicht, klar ist nur, dass ich Erfahrungen gemacht habe, die mich persönlich bereichert haben und ich jedem einen solchen Freiwilligendienst empfehlen kann.

Fabian Bickel